INTERVIEW

Nutzerzentriertes Entwickeln: Der Spagat zwischen spielerischem Lernen und respektvoller Ansprache

„Starthilfe – digital dabei“ ist eine App für Seniorinnen und Senioren, um den sicheren Umgang mit Smartphone und Tablets zu erlernen. Die Idee für das App-Projekt entsprang der Feder der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK). Die Umsetzung konnte das Büro für Medienbildung im Rahmen einer Ausschreibung für sich gewinnen. Wie und warum es zur Zusammenarbeit mit cosee kam, welche Besonderheiten die Starthilfe-App mit sich bringt und ob wir unseren Kunden schließlich glücklich machen konnten, erzählt uns Mila vom Büro für Medienbildung im Interview.

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Mila Hundertmark

BfM Büro für Medienbildung gGmbH

Das Büro für Medienbildung unterstützt bundesweit Bildungseinrichtungen, Pädagoginnen und Pädagogen, Eltern, Jugendliche und Kinder im Bereich der Medienbildung. Es bietet kreative, fundierte und direkt anwendbare Materialien und Konzepte für den medialen Alltag der Zielgruppe.

Liebe Mila, vielen Dank, dass du dir die Zeit für dieses Interview genommen hast. Was uns bei entstandenen Kundenengagements brennend interessiert, ist: Wieso habt ihr euch für cosee entschieden?

Zunächst einmal haben wir den Auftrag von der LFK erhalten, eine digitale Lösung für die Stärkung der Medienkompetenz älterer Menschen zu finden. Es war also noch unklar, ob eine App oder eine webbasierte Lösung entstehen soll. Wir haben dann einfach geschaut – wer entwickelt Apps in Darmstadt und Umgebung? Bei der Recherche sind wir auf euch gestoßen und ihr wurdet uns zusätzlich von Kolleginnen und Kollegen empfohlen, die euch bereits aus einem früheren Engagement kannten.

Gab es weitere Mitbewerber?

Ja, es gab weitere Kandidaten. Aber dadurch, dass wir bereits Kontakt zu euch hatten und von dem, was wir herausfinden konnten, sah das einfach passend aus. Wir haben dann zuerst mit euch gesprochen und hatten in den Gesprächen schnell das Gefühl, dass wir hier an einem Strang ziehen und ihr die richtigen Partner für dieses Projekt seid.

Die App ist für Seniorinnen und Senioren entwickelt worden. Was ist das Besondere an der Zielgruppe der App?

Seniorinnen und Senioren sind eine sehr heterogene Gruppe. Das Einzige, was sie verbindet, ist ihr Alter. Sie haben unterschiedliche Berufe, Interessen oder Vorkenntnisse. Die Nutzertests halfen uns dabei, die Zielgruppe besser zu verstehen. Gemeinsam mit der LFK haben wir definiert, dass sich die App an absolute Technik-Neulinge richtet. Das Besondere dabei ist, dass wir von einem Kenntnisstand von Null ausgingen, was die Bedienung von Smartphones und Tablets angeht. Gleichzeitig hatten wir es mit erwachsenen Menschen mit viel Lebenserfahrung zu tun. Da ein gutes Maß zu finden zwischen „Dinge spielerisch näherbringen, es einfach und ausführlich erklären“ und dabei auf eine angemessene und respektvolle Ansprache zu achten – das war der Knackpunkt bei der App.

Du sprichst von einem spielerischen Ansatz der App. Wie habt ihr dabei die technische Umsetzung mit dem Fokus auf nutzerzentrierte Entwicklung vereint?

Die Starthilfe-App basiert auf einem pädagogischen Konzept. Das bedeutet, wir haben zunächst im pädagogischen Sinne überlegt: Was braucht es, um die Medienkompetenz zu schulen und die älteren Leute abzuholen? Wie können wir die Motivation steigern und dabei Ängste abbauen, die die Zielgruppe hat? Wir haben in enger Absprache mit der LFK das Konzept entwickelt, bei dem das Besondere ist, eine sichere und spielerische Lernumgebung zu schaffen, die in sich geschlossen ist. Eine Lernumgebung, die bei den absoluten Basics beginnt und in der unsere Nutzer die Bedienung des Handys ohne Befürchtungen ausprobieren können. Und zwar Basics, die überall sonst vorausgesetzt werden. Es gibt bereits verschiedene Hilfe-Apps für Ungeübte. Da werden aber immer schon bestimmte Dinge, beispielsweise auf dem Smartphone „Tippen“, vorausgesetzt. Aber unsere User-Tests haben gezeigt: Das ist keine Selbstverständlichkeit. Dadurch haben wir begriffen, wie kleinteilig wir anfangen müssen und wo unsere Arbeit wirklich beginnt.

Auf dem pädagogischen Konzept aufbauend haben wir für die verschiedenen Kompetenzen, die wir schulen wollten, eigene Übung entwickelt, bei denen die Nutzer mit Spaß lernen können. Unsere Ideen haben wir regelmäßig mit dem cosee-Team besprochen und uns ihren Rat eingeholt: Was ist machbar und wo müssen wir andere Lösungen finden? Wir hatten uns bereits in der Konzeption darauf geeinigt, dass es nur eine bestimmte Anzahl an Spielprinzipien geben kann, um Erlerntes zu wiederholen und zu festigen. Daher war Teil unserer Überlegungen, wie wir die gesetzten Spielprinzipien jeweils an mehrere Übungen andocken könnten. Dabei gibt es auch Spiele, die wirklich nur für sich stehen und nur ein einziges Mal vorkommen. Das Labyrinth-Spiel ist zum Beispiel eine einzelne Übung innerhalb der App. Es gibt andere Apps, die sich ausschließlich auf einen Zweck konzentrieren - wie sich Level für Level durch ein Labyrinth zu navigieren und dabei Spaß am Spiel zu haben. Während bei uns gleich mehrere Funktionsweisen auf einmal abgedeckt werden.
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Das Labyrinth-Spiel, das Suchwort-Spiel & der Messenger (v.l.) sind je eine Übung der Starthilfe-App

Habt ihr euch im Umsetzungsprozess gut abgeholt und aufgehoben gefühlt bei cosee?

Wir haben uns immer sehr gut durch cosee beraten gefühlt. cosee hat in unserem Auftrag die technische Umsetzung übernommen. In der Zusammenarbeit wurden wir zu einem echten Team, in dem wir gemeinsam nach Lösungen gesucht haben und eine Vision teilten. Basierend auf der pädagogischen Konzeption haben wir im Prozess geschaut, wie es am besten geht und im aktiven Dialog zusammengearbeitet.

Während des Projekts gab es mehrere Nutzertests. Welche Rückschlüsse habt ihr aus den Nutzertests gezogen und welchen Einfluss hatten sie auf das Projekt?

Es waren von Anfang an drei Nutzertests geplant. Uns war klar, dass wir Feedback aus der Zielgruppe brauchen und wir die Tests nicht nur pro forma machen, sondern darauf auch Anpassungen folgen mussten. Beispielsweise hatten wir geplant, die „Tippen“-Geste bei den Basics einzuführen. Wir hätten nicht damit gerechnet, dass das im Endeffekt der zweite Screen sein muss. Das waren überraschende Erkenntnisse, die wir im Vorfeld so niemals erwartet hätten. Von daher war das Feedback einer größeren Gruppe sehr wertvoll und hatte einen wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung der App. In einigen Fällen haben wir gezielt das Feedback aus den Tests abgewartet und dann gemeinsam mit cosee eine Entscheidung getroffen. Wir haben also sowohl die pädagogische Vision als auch die technische Umsetzung entsprechend den Nutzertestergebnissen angepasst.

Gab es technische Herausforderungen?

Da könnt ihr sicherlich die bessere Antwort draufgeben (lacht). Ich glaube, dieses Projekt war voller technischer Herausforderungen. Es vereint so viele verschiedene Dinge, insofern gab es etliche kleinere und größere technische Probleme zu stemmen. Das Schöne ist: Ich kann sie nicht im Detail benennen, weil sie cosee-intern gelöst wurden. Wenn Richtungsentscheidungen nötig waren, dann haben wir die Optionen gemeinsam besprochen. Uns war bewusst, dass es kniffelige Stellen bei der technischen Umsetzung gab und haben öfter über das „Wie“ diskutiert. Aber es wurde immer eine Lösung gefunden und wir konnten uns immer darauf verlassen, dass es gut wird.

Es ist sehr viel Liebe in einzelne Übungen geflossen, die kein Standard sind. Ich erinnere mich, dass Anna und Tom bei der Labyrinth-Übung einmal meinten, dass die Überlegungen, wie sie das mit den Wänden umsetzen, länger gedauert hat als das eigentliche Programmieren. Das erforderte einfach mehr Planungsarbeit. Auch die Chat-Übung im letzten Modul ist wirklich ein Highlight. Sie ist ein nachempfundener Messenger, bei dem die Senioren in einer sicheren Umgebung alle Funktionen wie bei einer richtigen Messenger-App erlernen können, ohne eben einen echten Messenger nutzen zu müssen. Das ging sogar bis hin zum Video-Call. Das ist eine Besonderheit, die technisch sicherlich nicht ganz einfach umzusetzen war. Und das ist das Tolle: Eben auch diese speziellen Anforderungen wurden von cosee ganz wunderbar gelöst. Für uns sehr zufriedenstellend.

Die Zusammenarbeit hört sich sehr gelungen an. Erfüllt die App eure Erwartungen?

Es war eine sehr gute Zusammenarbeit. Das Schöne ist, dass wir nach wie vor an Verbesserungen im laufenden Betrieb arbeiten und uns dazu aktuell einmal im Monat treffen. Wir sind mit dem Produkt durch und durch zufrieden. Ein Wunsch der LFK war auch, weitere Module hinzuzufügen. Wenn es tatsächlich zu diesem Auftrag kommt, würden wir die App auf jeden Fall gerne mit euch weiterwachsen lassen.

Wir bedanken uns herzlich bei Mila für das Interview.

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