INTERVIEW

Wenig Zeit und viel Scope – Produktentwicklung aus der Sicht von Product Owner und Scrum Master

Die meiste operative Arbeit bei der SPIEL.digital lag sicherlich auf Seiten des Entwicklungs-Teams. Doch gerade bei einem derart herausfordernden Projekt ist eine saubere Organisation der Tasks und des Backlogs sowie die Arbeit an und mit dem Team essentiell, damit das Entwicklungs-Team reibungsarm zusammenarbeitet. Caro war Scrum Master bei der SPIEL.digital, Sven der Product Owner. Im Interview sprechen sie über ihre Interpretation dieser Rollen, über den Perfect Fit des Projektes mit Scrum und über ihre Lieblingsmomente im Projekt.

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Carolin Huck, Sven Kloppenburg

Scrum Master und Product Owner, cosee GmbH

Caro ist langjährige Scrum Masterin bei cosee und ist schreibt gerade ihre Masterarbeit in Psychologie über die Auswirkungen agilen Arbeitens auf Software-Entwickler.
Sven ist seit 20 Jahren Stammgast auf der SPIEL und arbeitet ähnlich lange in verschiedenen Rollen an digitalen Produkten.

Sven, die erste Frage geht an dich. Du warst Product Owner der SPIEL.digital. Würde man eine solche Rolle nicht eher beim Kunden, in diesem Fall dem Veranstalter, vermuten?

Sven: Das Aufgabenspektrum von Product Ownern ist groß. Das reicht von der Ansicht "Product Owner ist nur, wer Budgetentscheidungen trifft und das Produkt auch einstellt" bis hin zu "Product Owner ist der, der mit dem Team den Sprint plant und Stories schreibt".
Hier war es so, dass die Veranstalter die generelle Ausrichtung des Produkts vorgaben und größere Priorisierungsentscheidungen trafen. Auch die fachlichen Bedürfnisse kamen vom Veranstalter. Ich habe dann mit Design und Engineering zusammen Lösungsvorschläge erarbeitet, die so gut wie möglich das Bedürfnis erfüllt und gleichzeitig in die bestehenden Constraints gepasst haben (benutzbar, umsetzbar, passend zum Rest des Produkts). Diese Lösungsvorschläge haben wir mit den Auftraggebern abgestimmt und mit dem Team eingeplant.
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In einem Video habt ihr über die Arbeit an der SPIEL.digital berichtet. Patrick sagt dort, dass die größte Herausforderung zu viel Scope für zu wenig Zeit gewesen sei. Sven fasst es damit zusammen, dass es im Laufe der Entwicklung genug Ideen für zwei Jahre Entwicklungszeit gegeben hätte. Es waren aber nur knappe vier Monate Zeit und zu Beginn gab es nur ein grobes Konzept. Wie seid ihr vorgegangen, um das Projekt zu organisieren?

Sven: Das grobe Konzept hat uns als Leitfaden gedient. Um die Messe bei Ausstellern und Publikum zu bewerben, ist der Veranstalter schon früh mit Entwürfen an die Öffentlichkeit gegangen. Somit war unser Hausaufgabenheft schon früh recht voll. Es ging also viel darum, "können wir dieses Bedürfnis auch mit einem einfacheren Feature bedienen". Und "prinzipiell können wir das alles umsetzen, aber nicht bis zur Messe dieses Jahr."

Caro: Und immer wieder die Frage: Was ist uns wichtig bzw. wichtiger?

Was hat euch bei der Organisation geholfen?

Sven: Dass alle Beteiligten das gleiche Ziel hatten: die beste digitale Brettspielmesse machen, die wir in der Zeit realisieren können. So waren die regelmäßigen Abstimmungsgespräche auch in den stressigen Vor-Messe-Wochen immer sehr zielorientiert.

An euren Rollen im Team kann man ablesen, dass ihr offenbar nach Scrum gearbeitet habt. Scrum scheint ja auch wie die Faust aufs Auge zu passen. Seht ihr das auch so?

Sven: Scrum bietet mit dem regelmäßigen Takt für Lieferung und Feedback und der kontinuierlichen Planung ein gutes Framework, das auch hier gut gepasst hat, ja.

Caro: Und wie. Ich hatte bisher selten ein Projekt in dem man Scrum so perfekt anwenden konnte. Dass Scrum by the book nicht immer möglich ist, finde ich auch nicht schlimm, denn man kann Agilität auch anders leben, aber es war cool, dieses starke Framework mal in einer wirklich herausfordernden Situation auf die Probe zu stellen und ich bin mehr denn je davon überzeugt.

Die Retrospektive ist ein fester Bestandteil von Scrum. Wenn ihr die Entwicklung der SPIEL.digital jetzt noch einmal rückblickend betrachtet, was würdet ihr genauso wieder machen? Was würdet ihr ändern?

Caro: Ich bin davon überzeugt, dass wir unter den gegebenen Umständen zu jedem Zeitpunkt das Beste aus der Situation gemacht haben. Im Nachhinein ist man immer schlauer und wir haben alle wertvolle Erfahrung dazugewonnen, die uns das nächste Mal noch besser machen. Etwas das wir mitgenommen haben und nächstes Mal noch schneller sinnvoll etablieren können, ist die Kommunikation in einem großen, verteilt sitzendem Team. Da haben sich in den wenigen Wochen viele kleine Dinge etabliert, die die Abstimmung effektiver gemacht haben.

Habt ihr für das gesamte Projekt eine abschließende Retrospektive gemacht?

Sven: Ja, klar.

Caro: ...im Star Wars-Stil, passend zum Design der gesamten Messe!

Was war euer schönster Moment mit der SPIEL.digital?

Sven: Da gab es einige. Als langjähriger Brettspieler und Messebesucher war es mir eine große Ehre, eine Messeausgabe mitzugestalten. Wir hatten ja leider zur Messeeröffnung ein paar Startschwierigkeiten und (wie es aus der Community hieß) haben da die Warteschlangen vor den Hallen realistisch ins Digitale übertragen (lacht). Aber dann zu sehen, dass die Plattform dem Ansturm der Besucher standhält und sich die ganze Arbeit gelohnt hat, war schon toll. Natürlich freue ich mich darauf, auch wieder vor Ort mit Spielern aus aller Welt am Tisch zu sitzen und neue Spiele kennenzulernen. Aber für das Pandemie-Jahr 2020 war das ein großer Erfolg, hier ein digitales Spielefest zu feiern, das Brettspieler zusammengebracht hat. Fast schon surreal war es, als ich mir dann etwas später auch Eröffnungsvideo angeschaut habe und meine Sätzchen wenige Minuten nach dem Grußwort von Kanzlerin Merkel zu sehen waren.

Caro: Ich fand es beeindruckend, wie das Team an Fahrt aufgenommen hat, um diese Monsteraufgabe zu erledigen. Die letzten Abende, an denen wir zum Teil noch recht spät zusammensaßen und dem Messestart entgegengefiebert haben, waren schon etwas Besonderes.
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