INTERVIEW

Software – Entwickelt und gedacht in der Cloud

In der Softwarebranche ist seit einiger Zeit ein erhebliches Umdenken eingetreten. On-Premise-Lösungen, also Software-Verfügbarkeit auf einem eigenen Server in einem eigenen Rechenzentrum oder im Keller werden immer weniger. Dafür setzen immer mehr mittelständische Unternehmen auf Lösungen in der Cloud. Wenn Software von vornherein in der Cloud gedacht wird, hat das erhebliche Vorteile.

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Konstantin Diener

CTO bei cosee

Konstantin im Gespräch mit dem DIGITAL FUTUREmag, erschienen in Ausgabe 11/2022. Wir dürfen es freundlicherweise bei uns veröffentlichen.

Das Thema Cloud, oder wie man früher gesagt hat SaaS. ist doch eigentlich ein alter Hut. Was ist Ihrer Meinung nach so spannend an diesem Thema und was treibt Sie persönlich an?

Konstantin: Zunächst einmal ist Cloud nicht direkt mit SaaS (Software as a Service) gleichzusetzen. Wir verwenden Cloud in der Regel im Sinne einer Infrastructure as a Service (IaaS) oder Platform as a Service (PaaS). Im ersten Fall stellt der Cloud-Anbieter Infrastrukturkomponenten wie einen Server virtuell zur Verfügung und im zweiten Fall eine Plattform wie zum Beispiel Kubernetes als Lebensraum für Docker Container. Der große Vorteil bei allen *aaS-Angeboten ist die große Flexibilität: Ich miete das, was ich gerade brauche. Wenn ich mehr Speicherkapazität, CPU-Leistung oder Ähnliches benötige, buche ich es einfach dazu. Wenn ich weniger brauche, reduziere ich die gemieteten Infrastrukturkomponenten. Oft wird sogar direkt nach Verbrauch abgerechnet. Für ein neues Produkt ist die durch die Nutzer:innen erzeugte Last im Vorhinein nur sehr schlecht abschätzbar. Deswegen haben wir früher sehr groß dimensionierte und teure Hardware bestellt. Das braucht es heutzutage nicht mehr.

Lange Jahre haben gerade mittelständische Unternehmen eher Abstand von der Cloud gehalten. Schließlich wollte man seine Daten sicher bei sich Zuhause mit einem eigenen Administrator im Keller aufbewahren und hier sichergehen, dass niemand anders auf die Daten zugreifen kann. Was hat sich hier ihrer Meinung nach geändert?

Konstantin: Dass eine On-Premise-Lösung sicherer ist, stimmt so pauschal nicht. Tatsächlich ist sogar eher das Gegenteil der Fall. Wenn wir unsere Anwendungen selbst hosten, müssen wir uns auch selbst darum kümmern, alle Komponenten auf dem neuesten (Security) Patch Level zu halten. Das ist sehr aufwändig und fehleranfällig. Ein Cloud-Anbieter macht dasselbe mit absoluten Spezialisten für viele tausend Kunden, hat also Skaleneffekte. Damit ist die Cloud eigentlich sicherer, als On-Premise-Hosting. Bei allen mir bekannten Cyber-Attacken der letzten Zeit waren deshalb auch ausschließlich die eigenen Systeme der Firmen betroffen, aber keine Cloud Services. Natürlich spielt eine wichtige Rolle, dass sie mit einem Anbieter zusammenarbeiten, der hinsichtlich Datenschutz oder den speziellen Anforderungen Ihrer Branche zertifiziert ist. Kunden, die vor der Zusammenarbeit mit amerikanischen Firmen zurückschrecken, empfehlen wir zumeist die Open Telekom Cloud.

Sie sprechen hier von Cloud Native. Was ist das genau?

Konstantin: Cloud Native ist ein feststehender Begriff und bezeichnet Anwendungen, die explizit für den Betrieb in der Cloud entwickelt wurden und deren Möglichkeiten voll ausnutzt. Eine bestehende Anwendung einfach nur in die Cloud zu kopieren, bringt außer höheren Hosting-Kosten nämlich keinen Vorteil. Sie müssen sich überlegen, welche Teile Ihrer Anwendung unterschiedlichen Lastprofilen unterliegen (etwa durch Black Friday, Weihnachtsgeschäft etc.), um diese Teile gezielt skalieren zu können (größer und kleiner).

Immer mehr Unternehmen setzen jetzt auf die Cloud und das ist sicher kein kurzfristiger Trend, sondern eher ein sehr langfristiger. Zurück in den Keller wird es wohl nicht gehen. Aber wann lohnt sich der Cloud-Einsatz?

Konstantin: Der Einsatz lohnt sich immer dann, wenn wir Flexibilität brauchen und eine Infrastruktur in Form von Servern, Datenbanken und dergleichen, die mitwächst oder -schrumpft. Dasselbe gilt für Anwendungen, die einer starken kontinuierlichen Weiterentwicklung unterliegen. Eine Anwendung, deren Entwicklung weitestgehend abgeschlossen ist und die ein sehr gleichmäßiges Lastprofil hat, würde ich persönlich nicht zwingend in der Cloud betreiben. Es gibt noch ein paar weitere Spezialfälle, die aber sehr auf den jeweiligen Auftraggeber ankommen.

Bei cosee entwickeln sie Software für alle Branchen. Wie kann man sich den Beginn einer Zusammenarbeit mit Ihnen vorstellen?

Konstantin: Wir entwickeln bei cosee digitale Produkte für und mit unseren Kunden. Im Zentrum eines solchen Produkts steht immer, dass es ein für den Markt relevantes Problem löst. Andernfalls wird niemand dafür Geld bezahlen und unser Kunde wird keinen Nutzen daraus ziehen. Zu Beginn der Zusammenarbeit führen wir mit unseren Kunden einen so genannten Discovery Workshop durch, um zu verstehen, für welche Zielgruppe das Produkt welches Problem löst. Kurz gesagt finden wir in diesem Workshop heraus, was es braucht, damit die Kunden unseres Kunden zufrieden sind und unser Kunde erfolgreich ist. Dann stellen wir ein individuelles Team zusammen, das in kurzen Zyklen das Produkt transparent für den Kunden entwickelt.

Mittlerweile gibt es wirklich unglaublich gute Cloud-Software von der Stange. Außerdem viele kleine Tools, die sich über entsprechende Standardschnittstellen anbinden lassen. Was spricht dann noch für die Entwicklung von Individualsoftware?

Konstantin: Am Ende ist das eine ähnliche Frage, wie die Entscheidung zwischen Konfektionsware, Maßkonfektion oder einem Maßanzug – es kommt eben auf den Anlass an. Als Faustregel gilt: Was macht eine Firma am Markt besonders oder einzigartig – der berühmte USP. Diese Besonderheiten können Sie selten mit Software von der Stange erreichen – oder sind mit dem Customizing am Ende bei einer ähnlichen Investitionssumme. Je verborgener eine Anwendung für Ihre Kunden und je weniger spezifisch sie für Ihr Unternehmen ist (HR, Lohnbuchhaltung, u.v.m.), desto eher eignet sich Standard-Software.

Lassen Sie uns gemeinsam noch einen Blick in die Zukunft werfen. Wo geht die Reise Softwareentwicklung hin? Was sind die wichtigsten Trends, die Sie heute schon erkennen können?

Konstantin: Die Reise geht definitiv zu einer immer stärkeren Nutzung sogenannter Managed Services. Nehmen wir exemplarisch dafür eine Datenbank. Früher haben wir in einem „leeren Server“ die Datenbank-Software installiert und konfiguriert. Das ist vergleichbar damit, eine Pizza vollständig selbst zu backen. Mittlerweile verwenden wir meist nur noch „Tiefkühlpizza“, indem wir eine laufende Datenbank mieten, um deren Betrieb sich komplett ein Cloud-Anbieter kümmert. Es gibt in der IT auch schon eine Analogie zur Pizza vom Lieferservice: Mit Serverless mieten wir keine laufende Datenbank mehr, sondern zahlen nur noch dafür, wenn wir die Datenbank benutzen.Dieser Trend wird sich weiter fortsetzen. Wir werden mehr und mehr Infrastrukturkomponenten mieten oder sogar nach Pay-Per-Use-Modellen verwenden und immer weniger selbst installieren.
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